Langsamer auf dem Weg zu einer schönen Stadt
Eine attraktive Kommune braucht nach Ansicht des Architekten Christoph Mäckler gut gestaltete Straßen, auf denen sich auch Fußgänger sicher bewegen können. Entscheidend dafür sei ein Tempolimit, meint er.
Christoph Mäckler steht am Eschenheimer Turm und schaut auf den Verkehrsknoten: Fünf Fahrspuren plus Radweg gibt es dort in Fahrtrichtung Osten, aus Norden kommen weitere Fahrbahnen hinzu. Der Architekt fasst sich ein Herz, überquert in einem günstigen Moment gelassenen Schrittes die Asphaltbahn in Richtung der Verkehrsinsel, auf der sich der seit Jahren trockengelegte Göpfertbrunnen befindet. Die Verkehrsplaner haben es gar nicht vorgesehen, die Straße an dieser Stelle zu überqueren. Fußgänger sollen sich woanders bewegen.
Für Mäckler sind die Verkehrsflächen am Eschenheimer Turm – dem einzigen erhaltenen mittelalterlichen Stadttor Frankfurts – ein Beispiel dafür, wie Stadtstraßen nicht gestaltet sein sollen. Zu sehr gäben heute das Straßenverkehrsrecht und der Wunsch nach leistungsfähigen Schneisen die Ziele vor. „Unsere Straßen kommen aus der Zeit der autogerechten Stadt“, meint der Architekt. Kürzlich hat das von Mäckler gegründete und in Frankfurt ansässige Institut für Stadtbaukunst in Düsseldorf eine ganze Tagung dem Thema gewidmet. Am Ende forderten die Teilnehmer, unter ihnen viele kommunale Praktiker, nichts weniger als die Novellierung des Straßenverkehrsrechts. Denn der rechtliche Rahmen sei „in hohem Maße gestaltrelevant“, heißt es in der Resolution.
Die Kommunen müssten das Recht bekommen, die zulässigen Geschwindigkeiten auf den Stadtstraßen selbst festzulegen. „Nur dadurch können die Konflikte unter den verschiedenen Verkehrsteilnehmenden minimiert, Sicherheit und Gesundheit erhöht und die Qualität der Stadtstraßen als Lebensraum für die Stadtgesellschaft gewährleistet werden.“ Die gewonnenen Spielräume würden „dringend benötigt für die erforderliche Anpassung unserer Straßenräume an die Anforderungen von Verkehrswende und Klimawandel“. Außerdem müssten Regeln zum Parken und zur Höhe von Bußgeldern überarbeitet werden, heißt es in der Resolution, die auch von der Bundesstiftung Baukultur, Mitgliedern des Bau- und Verkehrsausschusses des Deutschen Städtetags und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen mitgetragen wird.
Der Forderungskatalog liest sich stellenweise so, als stamme er aus einem Wahlprogramm der Grünen. Doch Mäckler ist nicht mit allen Ideen einverstanden, die derzeit unter dem Schlagwort „Verkehrswende“ in die tat umgesetzt werden. Von Straßensperrungen hält er nichts. seit Jahren wirbt er dafür, selbst auf der Zeil wieder Autoverkehr zuzulassen. „Fußgängerzonen haben sich überlebt.“ ihm geht es darum, vor allem von den „Rennstrecken“ wegzukommen, wie er die großen Trassen nennt, die zum teil als mehrspurige Einbahnstraßen die Stadt durchziehen. seine Vision sind „normale Stadtstraßen“ mit Zweirichtungsverkehr, auf denen Autos langsam unterwegs sind und sich Fußgänger und Radfahrer sicher bewegen können. „Der Verkehr wird langsamer, aber man kann überall fahren.“ Dann sei es auch nicht mehr nötig, Radwege rot einzufärben, wie es seit einigen Jahren in Frankfurt üblich ist. „Das kann keine Dauerlösung sein.“
Bei seinem Vortrag auf der Düsseldorfer Tagung zeigte Mäckler, wie gut gestaltete Straßen aussehen könnten: Ein Baumdach am Rand hält der Architekt angesichts der zunehmenden Sommerhitze für dringend erforderlich. „Das finden sie im Mittelmeerraum überall“, sagt er. Dort seien auch vergleichsweise enge Straßen üblich, auf denen die angrenzenden Häuser Schatten werfen. Kioske und Treffpunkte seien für ein vielfältiges Straßenbild nötig. „Das A und O ist die Nutzungsmischung. Sonst sind die Straßen abends tot.“
Attraktiv wird der Straßenraum nach Überzeugung Mäcklers erst durch gut gestaltete Häuser auf beiden Seiten. Sie müssten so geplant sein, dass es eine klar definierte Straßenfront und einen privaten Raum auf der Rückseite gebe. Freistehende Punkthäuser, wie man sie aus Neubaugebieten kennt, sind ihm ein Graus. Ebenso Siedlungen, die seit 1920 entstanden und zum Teil gar nicht mehr zur Straße hin orientiert sind. Das erschwere die Orientierung. „in der Nordweststadt verläuft man sich.“
Mehrere verschiedene Haustypen, die Stadtstraßen säumen können, haben Mäckler und seine Mitarbeiter für das „Handbuch der Stadtbaukunst“ zusammengetragen, das als eine Art Werkzeugkasten für Stadtplaner gedacht ist. Selbst wenn sich in einer Straße diese Haustypen wiederholten, müsse keine Monotonie entstehen, wie sie kennzeichnend sei für große Wohnblocks mit langen Fronten, an denen jeder Eingang gleich aussehe. Mäckler verweist auf die Stadterweiterungen Ende des 19. Jahrhunderts. Damals basierten die einzelnen Häuser auf wenigen Grundtypen. Doch die Fassaden wurden unterschiedlich gestaltet, um für Abwechslung zu sorgen. Vorbild ist für ihn Paris. „Da würde gerne jeder wohnen.“
Über diese Themen diskutiert Mäckler mit Wohnungsbaugesellschaften. Mit der ABG Frankfurt Holding entwickelt er einen Haustypus, der auch in größeren Quartieren mit Sozialwohnungen funktioniert – und der auch einen gut gestalteten Straßenraum ermöglicht.